Fachbeiträge
Ein erfolgreicher und schneller Einstieg
von Dr. Peter Schütt
Was gilt es beim Einführen von Wissensmanagement-Programmen in Unternehmen zu beachten? Wie lassen sich schnelle Erfolge erzielen? Peter Schütt hat für Sie zehn Regeln für erfolgreiche Wissensmanagement-Programme zusammengestellt.
Von Peter
Inhaltsübersicht:
- Die schleichende Revolution
- Die Mitarbeiter im Brennpunkt der Unternehmensentwicklung
- Was heißt “Wissen managen”?
- Warum mechanistische Lösungen scheitern
- Schnelle Erfolge in Wissensmanagement-Programmen erzielen
- 10 Regeln für erfolgreiche Wissensmanagement-Programme
- Literatur
Warum ist
Wissensmanagement plötzlich ein so heißes Thema? Es wird
sehr viel darüber geschrieben, doch kaum jemand weiß
wirklich, was es für das eigene Unternehmen konkret bedeutet.
Noch weniger ist vielen klar, wie erste Schritte in ein wirklich
sinnvolles Wissensmanagement aussehen können. Ist Wissensmanagement
nur ein Marketing-Gag der Unternehmensberater? Oder ist es der Motor
der Innovation, und ist damit eine Investition in das Wissen des
Unternehmens eine Garantie für die Zukunft?
schleichende Revolution
Wir stehen
am Rande einer schleichenden Revolution. Wie der Buchdruck die Art
der Wissensvermittlung im auslaufenden Mittelalter revolutioniert
hat (innerhalb von 15 Jahren wurden 8 Millionen Bücher gedruckt
ebenso viele wie die Menschheit bis dahin insgesamt geschrieben
hatte [1]), so sorgt
heute das Internet für einen dramatischen Wechsel im geschäftlichen
und privaten Leben. Kundenbeziehungen müssen überall neu
definiert werden. Branchen wie Buch- und Tonträgerhandel, die
Reisebranche mit ihren Reisebüros, die Banken mit ihren vielen
Filialen, aber auch der Handel zwischen Firmen (die Supply Chain)
werden in wenigen Jahren ganz anders aussehen.
Damit muss
sich zwangsweise auch das Managementmodell ändern. Der Taylorismus,
der die erste Hälfte des auslaufenden Jahrhunderts mit seiner
Grundthese Der Chef wirds schon richten bestimmt
hat, ist nun wirklich am Ende. Ein Unternehmen, das morgen noch
am Markt bestehen will, muss sehr flexibel auf kleinste Veränderungen
und Anforderungen reagieren und das nicht erst nach zeitaufwendiger
Rückfrage an den Chef. Unter dem Stichwort Empowerment
der Mitarbeiter ist uns dies in den 80er Jahren schon verkauft
worden, damals allerdings als Wurmfortsatz einer extremen Prozessorientierung.
Die Mitarbeiter im Brennpunkt der Unternehmensentwicklung
Diese Prozessorientierung
war und ist dann erfolgreich, wenn wiederkehrende Abläufe zu
steuern sind. Die heutigen Anforderungen sind aber höher. Ein
kostenoptimierter Prozess genügt nicht mehr, um besser zu sein
als der Mitbewerber. Deshalb orientieren sich die Unternehmen mit
immer kürzer werdenden Produktzyklen mehr und mehr am Stichwort
Innovation. Leider gibt es aber grundsätzlich keinen
losgelösten Innovationsprozess, so wie ein Computer auch nicht
innovativ sein kann. Innovation entsteht, wenn Wissen auf Wissen
prallt und das am wahrscheinlichsten in einem völligen
Freiraum des Denkens. Damit rücken die Mitarbeiter als Person
nach langen Jahren als Prozessbestandteil wieder in
den Brennpunkt der Unternehmensentwicklung. Es ist ihr Wissen, das
den Unterschied ausmacht.
Praktisch gesehen
scheint das Zitat eines Unbekannten Der Kauf eines Kaffeeautomaten
ist die beste Investition in Wissensmanagement zu stimmen.
Dies galt jedoch nur, solange wir noch gewohnt waren, alle in einem
Firmengebäude zu arbeiten. Doch heute agieren selbst mittelständische
Unternehmen oftmals global, und der Trend bei vielen Unternehmen
zur weltweiten Fusion scheint ungebrochen. Was hilft da der Kaffeeautomat
in München, Frankfurt oder Hannover?
Was fängt
den Verlust an Austausch von Erfahrungswissen auf, wenn wir plötzlich
nicht mehr jeden morgen im Büro zusammenarbeiten, sondern per
ISDN vernetzt vom Arbeitszimmer zu Hause oder mobil vom Kunden?
Woher wissen wir dann, was jemand anderes im eigenen Unternehmen
schon weiß? Oder erfinden wir die Räder dann fünf-,
sechs- oder siebenmal ? Das wäre teuer zu teuer, um
gegen die Wettbewerber zu bestehen.
Genau diese
Fragestellung gilt es in Wissensmanagement-Projekten als erstes
zu beantworten: Wie kann man das vorhandene Wissen aufspüren,
eventuell aufbereiten und dann zur Verfügung stellen, wenn
es irgendwo im Unternehmen gebraucht wird?
Wissen kann
in zwei verschiedenen Zuständen auftreten:
- ähnlich dem Wasser in flüssigem Zustand als explizites, dokumentiertes Wissen, z.B. in Büchern, als E-Mail, in Datenbanken oder im Internet, und
- eher mit einem dampfförmigen Zustand vergleichbar als stilles Wissen (tacit knowledge) in den Köpfen der Mitarbeiter
|
Letzteres
lässt sich, wenn es nicht zu kurzlebig und nicht zu komplex
ist, gegebenenfalls auch dokumentieren, also explizit machen.
Dies stößt spätestens dann auf Grenzen, wenn es
die persönliche Genialität jedes Einzelnen betrifft,
die nicht mehr übertragbar ist. Das weite Zwischenfeld ist
aber gerade das Spannende, was in den letzten Jahren der reinen
Prozessorientierung so stark vernachlässigt wurde.
Viele Wissensmanagement-Projekte
konzentrieren sich auf den expliziten Teil, indem der Zugriff auf
Information mittels Suchmaschinen und Navigatoren verbessert und
die Dokumentenablage strukturierter in neuen Ablagesystemen organisiert
wird. Bei diesen sinnvollen Ansätzen wird jedoch allzu leicht
verkannt, dass Information ohne das Wissen um den Kontext in der
Regel wenig Wert aufweist und diese Medien eine Rückfrage in
der Regel nicht oder nur sehr umständlich ermöglichen.
Der erwünschte Erfolg solcher Projekte bleibt somit oft hinter
den Erwartungen zurück.
mechanistische Lösungen scheitern
Was hier fehlt,
ist eine neu definierte Ausgewogenheit im strategischen Einsatz
von explizitem und stillem Wissen. Das führt dann an einem
Wissensmanagement-Programm, das die Mitarbeiter im Zentrum sieht,
nicht vorbei. Wenn man über tacit knowledge spricht, muss man
auch über eine Veränderung der Unternehmenskultur nachdenken.
Dass so etwas nicht mechanistischen Regeln folgen kann (Lichtschalter
betätigen), sondern sich eher nach biologischen Modellen
richtet, irritiert heute noch viele Manager.
Das Internet
und die großen Unternehmensdatenbanken scheinen Entscheidungsfindung
sicherer zu machen, indem Entscheidungen mehr auf sogenannte Fakten
aufgebaut werden. Ob die Daten dabei immer richtig interpretiert
und im richtigen Kontext gesehen werden, wird oft gar nicht erst
hinterfragt. Stattdessen sichert man sich durch eine Kopie der E-Mail
an den Chef vermeintlich ab und erzeugt bei ihm eine E-Mail-Überflutung.
Der Glaube an Explizites ist oftmals höher als die Bereitschaft
fünf Minuten nachzudenken; damit werden die Entscheidungen
nicht besser.
Das Grundproblem
besteht darin, dass es nicht möglich ist, jegliches Wissen
explizit darzustellen. In der Regel kommt es in der Darstellung
zu einer Verknappung auf das Wesentliche, was die Einbindung
des Kontexts als erstes über Bord wirft. Was machen denn gute
Entscheidungsfinder? Sie suchen nicht zumindest nicht immer
stundenlang im firmeneigenen Intranet, sondern fragen einen
guten Freund innerhalb des Unternehmens um Rat.
Diese informellen
Netzwerke, die unsichtbar in jedem Unternehmen existieren, sind
das Lymphsystem der Unternehmen, während die Blutbahnen als
Organisationsdiagramm überall veröffentlicht sind. Diese
Netzwerke funktionieren von sich aus, ohne große Investitionen
und ohne Motivationsprogramme. Sie funktionieren nicht nach den
Regeln der Aufbauorganisation, bei der es um Macht usw. geht, sondern
sie funktionieren nach dem Prinzip der gegenseitigen Abhängigkeit
auf sehr hoher Vertrauensbasis und nahezu konkurrenzfrei. Ein ideales
Umfeld für Wissensaustausch!
Erfolge in Wissensmanagement-Programmen erzielen
Die meisten
Unternehmen haben heute eine zweistufige Organisation: die klassische
Aufbauorganisation mit ihren Bereichen und Abteilungen und die darüberliegende,
projektorientierte Matrixorganisation. Die Japaner Ikujiro Nonaka
und Hirotaka Takeuchi haben in ihren wegweisenden Veröffentlichungen
in den frühen 90er Jahren eine dritte Organisationsebene empfohlen,
die man heute die Wissensebene nennen würde [2].
Dabei geht es darum, in den Unternehmen (im Sinne von Supply Chain
auch durchaus über Firmengrenzen hinaus) einen Freiraum des
Denkens zu schaffen, in dem Mitarbeiter bestimmte Themen weiterentwickeln.
Organisationsanalysen
zeigen fast immer sehr deutlich, dass die Grenzen der Aufbauorganisation
mit ihren Zielvorgaben den Wissensfluss stark behindern. So entwickeln
sich lokale Lösungen, die nicht dem Besten entsprechen, was
ein Unternehmen kann. Diese Barrieren in der an sich sinnvollen
Aufbauorganisation aufzuweichen, indem man Mitarbeiter bereichsübergreifend
sachthemenorientiert zusammenkommen lässt am Anfang
real und später auch virtuell über Groupware- und Intranetlösungen
kann ein erstes Ziel eines Wissensmanagement-Programms sein.
In zahlreichen Kundenprojekten der IBM hat sich gezeigt, dass hierin
ein hohes Potential an schnellen Erfolgen (Quick Wins) verborgen
ist.
Es ist dabei
natürlich nicht mit einer normalen Mitarbeiterbesprechung getan.
Hier bedarf es ausgefeilter Mechanismen, um wirklich Wissen fließen
zu lassen. Als Ausgangspunkt eignen sich die vorhandenen, oftmals
auch an Sachthemen orientierten informellen Netzwerke am besten.
Sie für den Unternehmenserfolg zu nutzen, heißt gleichsam
Eisberge etwas zu heben und sichtbarer zu machen. Sie ganz zu heben,
bedeutet sehr viel Energie aufzuwenden und Gefahr zu laufen, dass
sie in der Sonne davonschmelzen. Mit Bedacht eingerichtet
und man kann dabei sehr wohl klein anfangen sind auch die
Erfolge schnell sicht- und messbar. Schnell heißt
hier etwa 6 Monate; ein wirklicher Kulturwandel dauert aber doch
eher 2 Jahre und länger.
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Eisenstein, E.: The Printing Revolution in early modern Europe.
Cambridge University Press 1983, Nachdruck 1998.
Nonaka, I./Takeuchi, H.: A Dynamic Theory of Organizational Knowledge
Creation. In: Organizational Science. Ausgabe 5, Nummer 1, Februar
1994. Nachdruck in: Prusak, L. (Hrsg.): Knowledge in Organizations.
Butterworth-Heinemann 1997.
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