Fachbeiträge
Need for Speed: Der Vorteil kleiner Einheiten
von Valentin Nowotny
Kreativität ist mit hundert Menschen in einem Raum nur sehr schwer möglich, besonders über längere Zeit. Großraumbüros stressen fast alle Angestellten, sei der Ausblick aus den Großraumbüros noch so wunderbar! Die sogenannten „Großgruppenmethoden“ wie World Café, Zukunftskonferenz oder Real-Time-Strategic-Change (RTSC) sind übrigens die Ausnahme von der Regel, aber hier bedarf es dann schon sehr gut durchdachter Methoden und einem moderierten Vorgehen, um einen kreativen Prozess anzustoßen und diesen am Ende zusammenzuführen und zu verdichten.
Inhaltsübersicht:
- 1. Bessere Überschaubarkeit
- 2. Höhere Motivation der Einzelnen
- 3. Mehr Sinn durch gemeinsame Fokussierung
- 4. Kooperationsfähigkeit wird belohnt
- Die Zahl der Kommunikationskanäle
- Wie kommen Sie zu kleineren (Arbeits-)Einheiten?
- Reflexionsfähigkeit und Double-Loop-Lernprozesse als Grundlage einer „Sustainable Velocity“
- Retrospektiven und Daily Stand-Ups als Schlüssel zu „mehr Speed“
In der Regel bevorzugen Menschen die kleine, überschaubare, fast familiäre Einheit. Warum? Alles in allem haben kleine Einheiten zahlreiche Vorteile: angefangen beim „menschlichen Maß“, über die höhere Motivation des Einzelnen und bessere Beweglichkeit der Gesamtorganisation sowie mehr „Sinn“ sind die naheliegenden. Darüber hinaus stärken kleine Teams die Hilfsbereitschaft untereinander, Vertrautheit und Vertraulichkeit kommt häufiger vor, darüber hinaus kommt es zu mehr positiven Emotionen. Schauen wir uns die Punkte doch einmal genauer an!
Die vier zentralen Gründe, die für kleinere Einheiten sprechen sin:
1. Bessere Überschaubarkeit
Was passiert, wenn Sie nicht mehr alle Menschen an einem Tisch sehen können? Richtig, es wird unübersichtlich. Herr Meier „übersetzt“ Frau Müller was Herr Schneider gerade ausgeführt hat, etc. pp. Große Konferenzveranstalter neigen daher nicht umsonst zum Ovalen oder gar runden Tisch. Auch Seminare, bei denen es um Persönlichkeitsthemen geht, nutzen den „Stuhlkreis-Effekt“. Wenn man direkt kommunizieren kann, wird vieles leichter!
2. Höhere Motivation der Einzelnen
Menschen sind soziale Wesen. Das heißt: sie helfen gerne. Das gilt aber nicht uneingeschränkt, den nur die allerwenigsten helfen „jedem“. Man muss die Person kennen, und für Sie zumindest eine Sympathie heben, um ihr zu helfen. Mehr Beweglichkeit als Organisation, das zwischenmenschliche „Schmiermittel“ für schnellere Dreh- und Veränderungsbewegungen, hängt am Ende also entscheidend ab von der persönlichen Hilfsbereitschaft in einem Teamzusammenhang.
3. Mehr Sinn durch gemeinsame Fokussierung
Wenn ich einer von 500 oder 5.000, oder 50.000 bin, was macht meine Arbeit dann noch für einen Unterschied? Was ist der Sinn? Genau vor dieser Herausforderung stehen die Großunternehmen, auch größere Mittelständler sind betroffen. Ein „gesunder Handlungsstrang“ umfasst klare Ziele, einen berechenbaren Aufwand, eine Belohnung sowie zusätzlich auch ein wahrgenommener Nutzen und Sinn (vgl. Grannemann & Seele, 2015, S. 17.). Dieser gemeinsame Fokus funktioniert dauerhaft nur in kleinen Gruppen.
4. Kooperationsfähigkeit wird belohnt
Die Kooperationsfähigkeit von Menschen und auch von Tieren ist zum Teil erstaunlich: Amseln, Elefanten, Affen und Schweine ziehen gemeinsam an zwei Seilende, wenn Sie ausschließlich so an ein Leckerli kommen. Der Bemerkenswerte Film-Doku „Wie Tiere fühlen“ zeigt in einer sehr bemerkenswerten Weise, dass selbst Tiere zu einer positiven Kooperation fähig sind und berichtet z.B. von aktuellen Forschungen des Verhaltensbiologen Frans de Waal an der Emory University in Atlanta, inwieweit Tiere sich „fair“ verhalten und wann sie kooperieren. Für ihn steht außer Frage: "Wenn sich ein Individuum egoistisch verhält, wird es in Zukunft Schwierigkeiten haben. Auf lange Sicht lohnt sich Egoismus nicht."
Was ist nun der eigentliche Grund für die Vorteile der kleineren Gruppe in der Arbeitsorganisation? Auch wenn Sie dies an dieser Stelle verwundert, die Antwort ist einfach, und sie lässt sich mathematisch anleiten: In Kleingruppen gibt es objektiv gesehen eine dramatisch kleinere Zahl an Kommunikationskanälen als in größeren Zusammenhängen.
Die Zahl der Kommunikationskanäle
Mathematisch gesehen ist die Zahl der bilateralen Verbindungen in einer Gruppe durchaus berechenbar.
Die Formel führt zu folgenden Ergebnissen: Bei zwei Personen gibt es genau einen Kommunikationskanal. Das ist wirklich überschaubar. Schon bei fünf Personen steigen diese jedoch schon auf zehn Kanäle an und bei zehn Personen sind es dann schon 55 Kommunikationskanäle! Bei sieben Personen reichen noch 21 Kanäle.
Dieser Schritt ist durchaus dramatisch. Wenn zu sieben nur drei weitere Personen in einem Team hinzugefügt werden, steigt also die Zahl der Kommunikationskanäle von 21 auf 55. Das ist ein Sprung um das 2,6fache! Und so richtig wild wird es, wenn es z.B. 20 Gruppenmitglieder gibt. Dann sind es rund 200 Kanäle. Oder wenn wir die Gruppenzahl noch einmal auf eine Größe von 40 verdoppeln. Hier sind dann schon rund 800 einzelne Kommunikationskanäle unterscheidbar.
Wenn es einen gleichen Stand an Informationen geben sollte, da das Team gemeinsam an einem Ziel oder mehreren Zielen arbeitet, dann sind größere Gruppen jenseits von 10 Personen nicht mehr effizient. In kleineren Gruppen von fünf bis etwa sieben Mitarbeiten funktioniert dies noch jedoch sehr gut, da sich alle mein einem überschaubaren Aufwand auf einem gemeinsamen Stand halten können! Dann jedoch noch einen weitere „Kopf“ hinzuzufügen ist jedoch keineswegs unmöglich, stellt nur für das Team eine besondere Herausforderung dar.
Wie kommen Sie zu kleineren (Arbeits-)Einheiten?
Daten werden heute häufig nicht mehr auf lokalen Server und Festplatten gespeichert, sondern sind auf virtuellen Servern in der Cloud abgelegt. Der Vorteil: von jedem Ort der Welt sind diese Daten dann problemlos zugänglich. Ganz ähnlich haben die die Mitarbeitenden in einem kleinen Team jederzeit Zugriff auf persönliche Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen, auf Feedback, auf positive Emotionen und direkte Reaktion sowie Zugang zu weiteren hilfreichen Ressourcen von Menschen, die ihnen etwas bedeuten und mit denen Sie täglich zu tun haben. Und das braucht es auch, um etwas Sinnvolles für das Unternehmen bewegen zu können.
Nur, wie werden die Teams arbeitsfähig, lernen einander zu vertrauen und werden nachhaltig schneller und besser bei der Zusammenarbeit?
Reflexionsfähigkeit und Double-Loop-Lernprozesse als Grundlage einer „Sustainable Velocity“
Im Fachjargon heißt das ganze „sustainable velocity“, eine anhaltend hohe Geschwindigkeit in Kombination mit einer nachhaltig guten Performance.
Diese lässt sich dann erzielen, wenn regelmäßig immer neu eine Reflexion über notwendige Veränderungen angestoßen wird. Was läuft in der Gruppe gut? Was sind aktuelle Hindernisse? Was muss entsprechend verändert werden? Jeder Gedankenanstoß, jede Reflexion muss jedoch noch durch den direkten Austausch überprüft. Verstanden, nachvollzogen werden. Veränderte Verhaltensmuster müssen gemeinsam geübt, verändert und angepasst und dann gelebt werden.
In einem Team von fünf bedeutet dies, dass mitunter Kommunikations-Schleifen über 10 Kanäle, bei einem Team von 7 dann schon 21, wie wir oben gesehen haben, erforderlich sein können, damit das Team wirklich abgestimmt ist. Jeder Kommunikationskanal birgt neue Sichtweisen. Formell oder auch informell wird in der Regel vieles miteinander besprochen. Fehlen die Kommunikationsformate bzw. -möglichkeiten, dann brodelt die Gerüchteküche mit der ihr eigenen Dynamik!
Der Vorteil einer umfassenden Kommunikation im Team: eine größere Vertrautheit, weniger Argwohn, ein besseres Zusammenspiel und am Ende des Tages mehr positive Emotion! Retrospektiven und auch Daily Stand-Ups sind die „Rituale“ aus dem agilen Methodenspektrum, die hier zu allererst genannt werden sollten.
Retrospektiven und Daily Stand-Ups als Schlüssel zu „mehr Speed“
Jüngere Führungskräfte haben gelernt, sehr viel stärker in Methoden zu denken. Mit welcher Methode kann ich welches Problem in meinem Team lösen? Wenn Sie die Geschwindigkeit mit welcher das Team nachhaltig bestehende Probleme lösen und neue Dinge angehen, erhöhen wollen, dann gibt es hier ebenfalls unterschiedliche Wege dieses Ziel zu erreichen.
Das Mittel der Wahl für eine höhere „nachhaltige Geschwindigkeit“ ist die Retrospektive, also der fokussierte „Rückblick“. Klingt paradox, ist aber wahr. Woody Zuill, US-Programmier-Legende und Agilitäts-Coach hat einmal gesagt: „If you adopt only one agile practice, let it be retrospectives. Everything else will follow.“
Alles beginnt also mit einer Retrospektive, der Rest wird später hinzukommen. Warum? Der Blick zurück erlaubt die Optimierung nach vorn. Regelmäßig. Immer wieder neu. Mit klarem Fokus und Handlungsorientierung.
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