Fachbeiträge
Kognitive Technologien in strategischen Planungs- und Entscheidungsprozessen
von Wolfgang Schmidt
Führungskräfte werden sich bei ihren strategischen Planungs- und Entscheidungsprozessen in der Zukunft verstärkt Technologien des Cognitive Computing bedienen – je intensiver, desto höher der digitale Reifegrad ihres Unternehmens. Die Qualität dieser Prozesse wird sich damit signifikant erhöhen. Gleichwohl wird es Stellen geben, an denen für die Entscheidungsfindung subjektive Einschätzungen den Ausschlag geben.
Inhaltsübersicht:
- Informationsquellen, Verfahren und Technologien in strategischen Entscheidungsprozessen
- Entscheidungen aufgrund subjektiver Einschätzungen
- Kognitive Technologien brauchen breite digitale Datenbasis
Kognitive Technologien sind in der Lage, den Datenschatz eines Unternehmens tiefgehend zu verarbeiten und daraus ein Verständnis für die Daten und die darin liegenden Fragestellungen zu entwickeln. Dafür analysieren sie Daten – natürlich-sprachige ebenso wie strukturierte – und ordnen sie in ein semantisches System ein, so dass man sie innerhalb eines Bezugssystems verstehen kann. Solche Analysen können Unternehmen dabei helfen, Planungsprozesse zu verkürzen (etwa wenn es darum geht, eine neue Produktionsstätte zu eröffnen) oder zu analysieren, ob und aus welchen Gründen Kunden abzuspringen drohen (Churn Prediction).
Es vergehen normalerweise Monate, bis in Standortentscheidungen alle Aspekte beleuchtet und Fragen beantwortet sind: Wo wäre die beste Lokation und warum? Was ändert sich durch Schließung alter Produktionsstätten? Welche rechtlichen Aspekte sind zu beachten?
Informationsquellen, Verfahren und Technologien in strategischen Entscheidungsprozessen
Die manuelle Analyse all dieser Faktoren, das Verstehen und Bewerten verschiedener Szenarien ist für die Planer ein langwieriger und aufwändiger Kommunikationsprozess. Dokumente werden erstellt, Meetings geführt und dabei sehr unstrukturierte Daten zusammengetragen. Neben solchen internen Informationsquellen gibt es externe, zum Beispiel Demographie-Daten oder Informationen über den Wettbewerb. Diese werden in Verbindung mit internen Daten wie den Abverkäufen von Verkaufsregionen gebracht. Alle Daten werden zusammengetragen in Excel-Tabellen, vor denen die Planer sitzen und versuchen, sie auszuwerten.
In der Regel werden dabei höchstens ein oder zwei Szenarien aufgebaut, bewertet und verglichen. Gewählt wird das Standortszenario, von dem man annimmt, es wäre das Beste. Ein Fertigungsunternehmen, das Alternativen für die Produktionsplanung sucht, ist schon froh, wenn es in der Lage ist, seine derzeitige Produktion mit neuen Aufträgen und solchen in der Pipeline aufeinander abzustimmen. Dies genügt jedoch nicht. Es gibt dann zwar einen Plan, der irgendwie funktioniert, der aber mit Sicherheit nicht das Optimum darstellt.
Mit Algorithmen und Künstlicher Intelligenz kann das Unternehmen hingegen wesentlich mehr Informationen in seine Entscheidungsprozesse einbeziehen, Unwägbarkeiten einbauen und sie bewerten. Denn durch kognitive Technologien lassen sich die Analyse strukturierter und unstrukturierter Daten und das Vergleichen von Szenarien teilweise automatisieren. Das Ergebnis ist ein robusterer und damit besserer Plan. Ein Handelsunternehmen wertet unstrukturierte Informationen aus Facebook-Kommentaren mittels Sentiment-Analyse automatisiert und binnen Minuten aus und kommt damit unter Umständen zu ganz neuen Erkenntnisse, was die Standortwahl angeht. Auch Krankenkassendienstleister nutzen unstrukturierte Daten, etwa aus Social-Media-Posts, um wechselwillige Kunden und Vertragshopper aufzuspüren, ihnen rechtzeitig passende Angebote zu unterbreiten und die Churn Prediction damit voraussagen bzw. zu verringern. Energieversorger ziehen solche Informationen eher aus strukturierten Daten. Die Planer können also viel mehr Szenarien aktiv miteinander vergleichen und damit die Anzahl an Alternativen steigern. Dies manuell zu erledigen, dazu fehlt in den Unternehmen schlicht die personelle Kapazität an Fachkompetenz.
Entscheidungen aufgrund subjektiver Einschätzungen
Kognitive Technologien können immer nur eine Entscheidungsunterstützung darstellen; es geht also nicht darum, dass sie Entscheidungen selbständig treffen. Aufgrund ihrer Rechenleistung und Analysefähigkeit können sie dem Menschen mehr Alternativen und Möglichkeiten aufzeigen, als er selbst manuell zusammentragen könnte. Mit seinem subjektiven Bauchgefühl kann sich dieser dann entscheiden. Das Resultat wird in jedem Fall ein besseres sein, da die Auswahlmöglichkeiten größer sind und auch Faktoren in Betracht gezogen werden, die ohne diese Hilfe unerkannt geblieben wären.
Welche Tragweite dem subjektiven Empfinden zukommt, hängt auch an der jeweiligen Rolle. Im Personal Recruiting und überall dort, wo Menschen miteinander arbeiten, werden subjektive Einschätzungen eine wohl größere Rolle spielen als wenn der Werks- oder Logistikleiter darüber zu befinden hat, wie das Unternehmen seine Supply Chain aufbauen soll. Operative betriebliche Prozesse, in denen es um Rationalisierung geht, sind prädestiniert für eine Automatisierung von Entscheidungen. Im Call Center kann das kognitive System selbst entscheiden, an wen der Anrufer weitergeleitet wird. Hat er nur seine Kreditkarte verloren, kann dies der Sprachcomputer erledigen, bei persönlichen Anliegen hingegen ist der Kundenberater gefragt. Sentiment-Analysen geben sogar Aufschluss darüber, welche Tonlage der Anrufer anschlägt und entscheiden daraufhin, ob dieser ggf. gleich an einen Berater mit Deeskalationskompetenz weitergeleitet wird.
Kognitive Technologien brauchen breite digitale Datenbasis
Je höher der digitale Reifegrad von Unternehmen, desto besser lassen sich kognitive Technologien einsetzen. Denn solche Technologien leben davon, auf möglichst breitgefächerte unterschiedliche Datensegmente zuzugreifen, aus denen sie Informationen generieren und in die Analyse einfließen lassen. Hat ein Unternehmen viele dieser Prozesse noch nicht digitalisiert hat, fehlt auch die Möglichkeit, diese Daten zu erheben.
Um sich mit dem Thema kognitive Technologien im Rahmen von strategischen Entscheidungen zu beschäftigen, braucht man als Voraussetzung Daten, mit denen die Technologien arbeiten können. Im industriellen Umfeld bedeutet dies eine starke horizontale und vertikale Vernetzung von Prozessketten – ein klassisches IoT- und Industrie-4.0-Thema. Bei Kommunikationsprozessen im Call Center sind entsprechende Informationen aus Social Media erforderlich, um beurteilen zu können, in welche Prozesskette der Anrufer weitergeleitet wird – ob es ein interessanter Kunde ist und er eventuell abspringt, wenn er nicht besonders behandelt wird. Es bedarf ferner Beratungsunternehmen als Mediatoren zwischen Technologie und Fachwissen, welche die kognitiven Modelle so entwickeln, dass sie die spezielle fachliche Sicht des Unternehmens richtig aufnehmen und verarbeiten.
Entscheidender Startpunkt ist letztlich der Business-Treiber. Der Anwender muss also aus einer Geschäftschance – oder aber aus einer Marktbedrohung – heraus die Motivation entwickeln, sich mit solchen Technologien überhaupt zu beschäftigen. Ob „Cognitive Computing“ dann schließlich wirkliche KI-Verfahren sind, klassische Ketten aus Data Mining und neuronalen Netzen oder Predicitive Analytics, spielt letztlich keine so große Rolle – wenn sie nur dem Ziel dienen, dem Planer mehrere Alternativen zu bieten, unter denen er die aus Unternehmenssicht beste wählen kann.
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