Fachbeiträge
Accor sucht Weltmeister der Gastfreundschaft
von Leonhard Fromm
Nichts ist schlimmer, als aus gut gemeinter Absicht das Falsche zu tun. Damit dies selbst bei den unterschiedlichsten Bedürfnissen von Fußball-Profis, deren Fans und mitreisenden Journalisten aus 32 Teilnehmerländern 2006 bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland nicht passiert, stellt sich die Hotel-Gruppe Accor auf deren Erwartungen und Mentalitäten mit einer umfassenden Bildungsoffensive ein.
Von Leonhard Fromm
Inhaltsübersicht:
Unter dem Leitwort „Weltmeisterschaft der Gastfreundschaft“ haben die Accor-Verantwortlichen seit Sommer 2005 einen „Trainingsplan für das Gastgewerbe“ erstellt, den sie zusammen mit dem international agierenden e-Learning-Anbieter Thomson NETg anbieten. Der Grund: Im Bereich Beherbergung ist die internationale Hotelgruppe Accor, zu der auch die Ibis-Häuser gehören, Generalpartner der Fifa.
Diese wiederum hat hohe Qualitätsansprüche an ihre Partner, damit beim weltweit bedeutendsten Sportereignis nichts dem Zufall überlassen bleibt. Die Accor-Akademie, die ihrerseits die Qualifizierung der gut 10000 Mitarbeiter vom Hotelmanager über die Servicekraft bis zur Raumpflegerin verantwortet, holte mit Thomson NETg einen international führenden e-Learning-Anbieter mit ins Boot.
Internationale Herausforderung
„Thomson NETg ermöglicht es uns, innerhalb kürzester Zeit das komplette Team sehr differenziert zu qualifizieren,“ begründet Accor Academiechef Agostino Cisco die Entscheidung für das virtuelle Lernen. Ein Projektteam von NETg-Beratern und Accor-Trainern und Mitarbeitern entwickelte ein Konzept, das die Mitarbeiter auf die internationale Herausforderung im Juni 2006 vorbereitet.
Herausgekommen ist ein gut sechsstündiges blended Learning-Programm, das als Print-Version und e-learning Version mit Nachschlagefunktion an allen Standorten zur Verfügung steht. Dieses umfasst 32 Kapitel, die sich jeweils einer teilnehmenden Nation widmen. Die Kapitel wiederum sind unterteilt in Sprachspezifika wie zum Beispiel Grußformeln; Eß- und Trinkgewohnheiten oder jeweilige Sichtweisen auf das Gastgeberland. So erfährt der Mitarbeiter, dass Italiener es mögen, wenn man ihnen deutsche Spezialitäten empfiehlt, während andere Nationen dies als aufdringlich empfänden. Eine fußballspezifische Lerneinheit bezüglich Fankultur, berühmtesten Spielern oder größten internationalen Erfolgen jeder Nation rundet alle Lektionen ab.
Um den Identifikationsfaktor beim multimedialen Lernen zu erhöhen, werden sämtliche Kapitel jeweils von Accor-Mitarbeitern aus dem betreffenden Herkunftsland präsentiert. Zu sehen sind sie in ihrer üblichen Dienstkleidung und im landestypischen Fan-Outfit. Als spielerischen Anreiz, die Online-Plattform http://www.dotmore.de in der Hauptlernphase im Frühjahr zu nutzen, können die Mitarbeiter durch das Training selbst „Weltmeister der Gastfreundschaft“ werden. Hauptpreis ist eine Reise für zwei Personen in das Land des Siegers der Fußball-Weltmeisterschaft, der am 9. Juli im Endspiel ermittelt wird.
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E-Learning-Plattform
Das Konzept wird bislang so gut angenommen, dass sich die Accor-Verantwortlichen überlegen, die e-Learning-Plattform zu einem internationalen Gastgeber-Knigge auszubauen. Ein solches Handbuch könnte Mitarbeiter dann aufgaben- und kundenorientiert jeweils punktgenau vorbereiten. Außerdem könnte das digitale Handbuch jederzeit aktualisiert oder mit weiteren Funktionen verknüpft werden.
„Auch die Deutsche Zentrale für Touristik hat die Plattform mittlerweile auditiert,“ freut sich Felicitas Schwarz, die seitens Thomson NETg das Projekt federführend betreut. Deshalb nutzten auch Tourismusverbände und tourismusnahe Branchen wie Flughafenbetreiber oder Taxifahrer das blended Learningkonzept, um sich in Kundenorientierung zu schulen. Eine weitere Anwendung kommt seitens anderer WM-Sponsoren, die die Plattform primär für ihre Mitarbeiter nutzen, um diesen mehr Hintergrund über die Teilnehmerländer zu geben, die e-Learningmethodik spielerisch in ihren Unternehmen zu verbreiten oder sich einfach selbst im Umfeld des Projektes ins Gespräch zu bringen.
Über www.dotmore.de werden mit zunehmender Nähe zur WM außerdem immer mehr Inhalte und Hintergründe rund um das weltweite Sportereignis publiziert. Hier ist auch die komplette Printversion des Handbuches zum Herunterladen hinterlegt sowie eine Einführung in das Handling der Online-Plattform. Besucher erhalten hier Infos zu Events während der WM, zum Beispiel der „Fan-City“ in Dortmund, oder Details zu Sicherheitsfragen rund um die WM.
Aktuell läuft in vielen Accor-Hotels in einer Art „Tag der offenen Tür“ eine Präsenzphase, in der die Mitarbeiter das e-Learning-Projekt kennen lernen, um dessen Funktionsweise, Handling und Zielsetzung zu verstehen. Um den spielerischen Charakter zu unterstreichen, können die Lösungen von Kurztests eingesendet werden. Richtige Antworten werden mit Sammelbildchen zum Einkleben bonifiziert, die wiederum untereinander getauscht werden können.
Lehrt NETgs Erfahrung aus anderen e-Learning-Projekten eine Nutzungsquote von 35 bis 60 Prozent je Firma, will Accor 100 Prozent erreichen. Kennziffer ist ein etwa 30-minütiger Multiple-Choice-Test mit 16 Fragen, zum Beispiel nach dem Nationalgericht der Elfenbeinküste. Zur Wahl stehen dann neben der richtigen Antwort auch die Namen von Nationalspielern oder Speisen anderer Nationen, so dass das Gelernte immer wieder zur Orientierung dienen kann.
Fazit:
Felicitas Schwarz: „Wir wollten keinen Frontalunterricht mit erhobenem Zeigefinger etablieren, sondern animierendes Lernen, das der Leichtigkeit des Ereignisses angemessen ist.“ Denn primär, so die NETg-Psychologin, gehe es bei der WM um einen spielerischen Wettkampf, bei dem die Gastfreundschaft im Vordergrund stehe. Diese Botschaft soll auch die Lernplattform transportieren, um Fanatismus bereits im Keim zu ersticken.
Nach der Präsenzlernphase im Frühjahr dient die Lern- auch als Informationsplattform über das WM-Geschehen. So wird dort über Siegerparties und Hintergründe berichtet, aber auch Checklisten sind abrufbar, was beispielsweise im Fall von Bombenalarm oder gar nach einem Terroranschlag zu tun ist.
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