Fachbeiträge
Orientierung im Wissensdschungel: Schnelle Hilfe bei der Positionsbestimmung
von Prof. Dr. Frank Ohle und Dr. Sascha Schuth
Der Einstieg in ein systematisches Wissensmanagement ist zunächst mit finanziellem Aufwand und Risiken bei der Implementierung verbunden. Die Investitionen können sich allerdings schon nach ein bis zwei Jahren amortisieren, wenn wirklich nur solche Tools zum Einsatz kommen, die dem Unternehmen nachhaltig Nutzen bringen. Der Einführung von Wissensmanagement sollte daher ein Performance-Check vorausgehen. Er hilft nicht nur bei der Identifikation und Bewertung der für das Unternehmen wichtigen Wissensbasis, sondern zeigt auch schnell und treffsicher, was wo getan werden muss.
Von Prof. Dr. Frank Ohle und
Inhaltsübersicht:
- Bestandsaufnahme: Welches Wissen ist wichtig?
- Wissenslandkarten zeigen Defizite auf
- Jährliche Positionsbestimmung
Mehr als 40 Prozent des Unternehmenswissens steckt in
den Köpfen der Mitarbeiter – und ist damit nicht nur bei Kündigung
oder Pensionierung unwiederbringlich verloren, sondern steht auch im Tagesgeschäft
nur in Rufweite zur Verfügung. In der allgemeinen Zugänglichkeit zum
entscheidenden Wissen schlummern also nach wie vor enorme Reserven für
die Unternehmensperformance. Allerdings kann Wissensmanagement nur dann wirkungsvoll
sein, wenn es zielgerichtet eingesetzt wird. Deshalb muss am Anfang die nüchterne
Analyse des unternehmensspezifischen Handlungsbedarfs stehen. Erst dann ist
Wissensmanagement mehr als bloße Dokumentation von Informationen in neuen
IT-Systemen, sondern wertsteigerndes Kompetenz- und Performancemanagement.
Wissen ist im Unternehmen an vielen Stellen vorhanden. In allgemein zugänglichen
IT-Datenbanken, die häufig mit viel Aufwand gepflegt werden, ruht allerdings
der geringste Teil: nur etwa zwölf Prozent. Etwas mehr, nämlich 20
Prozent, befindet sich in elektronischen Dokumenten, meist in kaum aufbereiteter
Form. Auch im Zeitalter der elektronischen Kommunikation ist noch immer fast
ein Drittel des unternehmenseigenen Wissens in Papierform vorhanden und gelangt
damit kaum über die Grenzen einer Abteilung oder eines Standortes hinaus.
Der größte Teil (42 Prozent) ist nicht aufbereitet und nur situativ
vom jeweiligen Know-how-Träger abrufbar. So die Ergebnisse einer von der
Unternehmensberatung Management Engineers und dem Softwarehersteller Comma Soft
in Auftrag gegebenen Studie. Das heißt: Gerade in vielen global tätigen
Unternehmen mit mehreren dezentralen Standorten gibt es nach wie vor große
Produktivitätspotenziale. Und: Sie könnten leicht gehoben werden,
stünde das für die wichtigsten Prozesse erforderliche Wissen allgemein
und aktuell abrufbar zur Verfügung.
Der Einstieg in ein systematisches Wissensmanagement ist für die Unternehmen
zunächst mit finanziellem Aufwand und Risiken bei der Implementierung verbunden:
Von der Einführung geeigneter IT-Applikationen über die Einführung
eines Kompetenz- und Performancemanagement-Verantwortlichen bis zu Folgekosten
wie Boni für Mitarbeiter, die sich besonders verdient machen, wenn es darum
geht, wichtiges Wissen aufzubereiten, zu aktualisieren und bereitzustellen,
sind Investitionen erforderlich. Sie können sich allerdings schon nach
ein bis zwei Jahren amortisieren, wenn wirklich nur solche Tools zum Einsatz
kommen, die dem Unternehmen nachhaltig Nutzen bringen. Der Einführung von
Wissensmanagement sollte daher ein Performance-Check vorausgehen. Er hilft nicht
nur bei der Identifikation und Bewertung der für das Unternehmen wichtigen
Wissensbasis, sondern zeigt auch schnell und treffsicher, was wo getan werden
muss.
Bestandsaufnahme: Welches Wissen ist wichtig?
Eine Voraussetzung für die bessere Nutzung des Unternehmenswissens ist,
sich zunächst Klarheit darüber zu verschaffen, welches Know-how relevant
ist. Ebenso wichtig sind die Prozesse, mit denen das Wissen verfügbar gemacht
wird. Entscheidend dafür, dass die Wissensinhalte und -prozesse auch tatsächlich
genutzt werden, ist eine wissensorientierte Kultur im Unternehmen. Erst wenn
diese Fragen geklärt sind, sollte man über die Tools nachdenken, die
den Wissensmanagement-Prozess unterstützen sollen.
Die entscheidenden Fragen vor der Einführung entsprechender Tools lauten
also:
- Inhalte:
Welches Wissen wird für den Unternehmenserfolg in Zukunft relevant sein, in welchem Umfang und in welcher Qualität ist es bereits vorhanden und ist es auch in ausreichender Tiefe vorhanden, um für die Kernkompetenzen des Unternehmens effektiv eingesetzt zu werden? Wo befindet sich dieses Wissen? - Prozesse:
Wie wird das Wissen gespeichert und allgemein nutzbar gemacht und wie ist dieser Prozess organisiert? - Kultur:
Wie wird das Geben und Nehmen von Wissen gefördert und wie ist der Wissensaustausch in der Führung und Organisation des Unternehmens verankert? - Tools:
Welche Anforderungen stellen sich an die unterstützenden IT-Systeme und welche Tools erfüllen diese Anforderungen am besten?
Die Antworten darauf können idealerweise in Interviews und Workshops mit
der Geschäftsführung und ersten Führungsebene bzw. mit den Vertretern
aller involvierten Bereiche (d.h. möglichst nah am Aufbewahrungsort des
Wissens) erarbeitet werden.
Wissenslandkarten zeigen Defizite auf
Das für das jeweilige Unternehmen relevante Wissen und die Art und Weise
des Umgangs damit wird sodann nach einem standardisierten Schema bewertet und
einer Leistungsklasse zugeordnet:
- Auf der untersten Stufe (Leistungsklasse „Operational“) rangieren Unternehmen, in denen die Kernkompetenzen und Schlüsselpersonen zwar bekannt sind, aber noch kein systematischer Know-how-Transfer stattfindet und das relevante Wissen nicht systematisch gespeichert wird.
- Auf der nächsthöheren Stufe (Leistungsklasse „Standard“) wurden bereits entsprechende IT-Systeme mit Grundfunktionalitäten eingeführt, aber das relevante Wissen wird nur lokal gespeichert, steht also nicht unternehmensweit zur Verfügung und auch die jeweiligen Ansprechpartner für den Abruf des Wissens sind nicht fach- bzw. bereichsübergreifend bekannt.
- In Unternehmen, die Wissensmanagement aktiv betreiben (Leistungsklasse „Professional“) ist sichergestellt, dass relevantes Wissen aus Projekten und zu Fachthemen kontinuierlich eingepflegt und personenunabhängig verfügbar ist. Die entsprechenden Tools und Prozesse sind unternehmensweit harmonisiert.
- „Best-in-Class“ sind Unternehmen, die Wissensmanagement als Kernprozess in die Entwicklung ihrer Unternehmensstrategie integriert haben und in denen das relevante Wissen unternehmensweit unter anderem über eine einheitliche IT-Plattform zugänglich ist. Best-in-Class-Unternehmen bewerten den Nutzen des Wissensmanagements und geben Anreize für dessen Ausbau, Pflege und Nutzung.
Jährliche Positionsbestimmung
Aus der Positionierung des Unternehmens in Form einer solchen Wissenslandkarte
wird schnell deutlich, wo es dringenden Handlungsbedarf gibt. Die Bewertung
der einzelnen Indikatoren erlaubt außerdem Rückschlüsse auf
das Potenzial jeder einzelnen Maßnahme – sowohl kurzfristig als
auch über einen längeren Betrachtungszeitraum hinweg. Am Ende dieses
innerbetrieblichen Wissens-TÜVs steht die Definition konkreter Maßnahmenpakete.
Um das etablierte Wissensmanagement kontinuierlich weiterzuentwickeln, sollte
der Performance-Check, der erfahrungsgemäß rund vier Wochen in Anspruch
nimmt, möglichst einmal pro Jahr wiederholt werden.
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