Fachbeiträge
Wissensmanagement für Wissensarbeiter: ungenutzte Produktivitäts- und Innovationspotenziale
von Lars Ludwig
Es ist eine alte Streitfrage: Wem gehört das Wissen und wo steckt es? Unternehmen sprechen zwar gerne vom Unternehmenswissen, doch Träger des handlungsleitenden Wissens ist letztlich der Mensch. Deshalb kann Wissensmanagement erst dann optimal seine Funktion erfüllen, wenn es den modernen Wissensarbeiter darin unterstützt, sein gesammeltes Wissen zu managen. Hier klafft eine Lücke zwischen dem herkömmlichen betrieblichen Wissensmanagement und dem bislang meist noch vernachlässigten persönlichen Wissensmanagement.
Von Lars Ludwig
Inhaltsübersicht:
Es ist eine alte Streitfrage: Wem gehört das Wissen
und wo steckt es? Unternehmen sprechen zwar gerne vom Unternehmenswissen, doch
Träger des handlungsleitenden Wissens ist überwiegend der Mensch.
Deshalb erfüllt Wissensmanagement erst dann optimal seine Funktion, wenn
es den modernen Wissensarbeiter darin unterstützt, sein gesammeltes Wissen
zu managen. Worin aber besteht der Unterschied zum Management des auf Unternehmen
bezogenen Wissens und inwieweit klafft beides auseinander?
Betrachtet man das herkömmliche IT-gestützte betriebliche Wissensmanagement
unvoreingenommen, zeigt sich schnell: Nicht Wissen wird dort verwaltet, sondern
Dokumente, die meist nicht mehr als Arbeitsergebnisse enthalten. Doch spiegeln
Arbeitsergebnisse das Wissen der Wissensarbeiter derart wider, dass es dazu
taugt, Wissensarbeit zu verrichten? Die Antwort lautet: ja und nein. Ja, denn
in Dokumenten ist viel brauchbares Wissen versammelt, es diente und dient betrieblichen
Zwecken. Nein, denn Ergebnisdokumente geben nur einen geringen Ausschnitt des
Wissens wieder, über das Wissensarbeiter verfügen müssen und
teilweise verfügen – nämlich allein den für die jeweils
besondere Aufgabe erforderlichen Teil. Das Wissen ruht noch immer beim Wissensarbeiter,
trotz oder vielleicht sogar wegen des gebräuchlichen Wissensmanagements.
Wo ist das Wissen geblieben?
Arbeitsergebnisse repräsentieren zumeist Endprodukte eines Prozesses der
betrieblichen Wissensansammlung. Dabei wird nicht unmittelbar zum Erledigen
der Aufgabe benötigtes Wissen systematisch ausgefiltert. Diese Fokussierung
der Aufmerksamkeit auf die zum Lösen einer Wissensaufgabe notwendigen Informationen
ist jedoch nur scheinbar zweckdienlich. Denn die Praxis lehrt: Gerade das in
früheren Aufgaben ausgeblendete, nicht in Ergebnisdokumente gefasste, mühsam
angesammelte Wissen bildet die Grundlage für neue Arbeitsergebnisse, während
ältere Ergebnisdokumente das angesammelte Wissen bereits zu stark zugespitzt
und spezifisch eingefärbt haben.
Ein geläufiges Beispiel: Angebotspräsentationen, etwa im Beratungsgeschäft,
sind stark auf die Besonderheiten des Kunden zugeschnitten. Sie enthalten eine
hohe Informationsdichte. An der Angebotserstellung beteiligte Mitarbeiter sammeln
aus verschiedenen Quellen etwa Sach-, Branchen- oder Firmendaten, die dann zweckgemäß
verdichtet werden. Beim nächsten verwandten Angebot sind diese Informationen
nicht mehr ohne weiteres zu übernehmen: Sie stellen schon eine zu starke
Verdichtung des Ursprünglichen dar. Die ausgefilterten Informationen sind
jedoch meist nicht Gegenstand eines systematischen Wissensmanagements. Das heißt,
sie müssen gegebenenfalls neu erarbeitet oder bei den Beteiligten erfragt
werden, die sie oft nur eingeschränkt wiedergeben können.
Zusammenfassend lässt sich feststellen: Das Wissen der Wissensarbeiter
im Unternehmen wird durch Ergebnisdokumente nur unzureichend repräsentiert.
Und das Mitarbeiterwissen ist im einen Fall größer als es zum Erfüllen
der aktuellen Aufgabe notwendig wäre, ein anderes Mal hingegen geringer
als gewünscht. Das betriebliche Wissensmanagement in Arbeitsdokumenten
genügt damit oftmals weder den Anforderungen des Unternehmens noch den
Bedürfnissen der Wissensarbeiter.
Lösungen für das persönliche Wissensmanagement
Dem Wissensarbeiter ebenso wie dem Unternehmen wäre dann am besten gedient,
wenn der Wissensarbeiter relevante Informationen während seiner Arbeit
leichthin strukturiert erfassen könnte, ohne dass seine Arbeit hierdurch
wesentlich beeinträchtigt würde. Wie kann der Wissensarbeiter nun
sein Wissen bewahren? In Dokumenten ist dies nicht gut möglich, ihnen mangelt
es an Struktur. Dokumente zu strukturieren, was immer nur unzulänglich
gelingt, ist zeitraubende Arbeit. Informationsdatenbanken wiederum ermöglichen
zwar über Masken eine rasche und strukturierte Informationseingabe. Sie
scheiden aber deshalb aus, weil sie erfahrungsgemäß in ihren Datenmodellen
zu starr sind, um die sich immer wieder wandelnden und ständig erweiternden
Informationsfelder adäquat aufzunehmen. Ein Data Warehouse leistet viel
bei der Analyse großer strukturierter Datenmengen, es leistet jedoch nichts
bei ihrer Erfassung. Überdies ist es nur schwer erweiterbar.������������������������������������������������������������������������������������
Dass dies keineswegs eine akademische Diskussion ist, konnte ich bei mir selbst
und bei zahlreichen früheren Kollegen in einem der großen, weltweit operierenden
Beratungshäuser mit State-of-the-art-Wissensmanagement beobachten: Ein Chaos
aus Zetteln, Listen, Ordnern, Dokumenten und Anfragen zeugte von dem verzweifelten
Versuch der Mitarbeiter, das von ihnen als künftig relevant betrachtete, aber
nicht ohne weiteres dokumentierbare Wissen zu bewahren oder zumindest persönlich
nutzbar zu machen. Denn Wissen verliert sich schnell, wenn man nicht sozusagen
als Gedächtnisstütze der eigenen Wissensrepräsentation eine passende Informationsstruktur
assoziiert.
Gemeinhin meint man, modernes Wissensmanagement bemühe sich bereits ernsthaft
um den Austausch von tacit knowledge, also dem persönlichem, noch implizitem
Wissen - etwa durch das Einrichten von Redeecken oder elektronischen Austauschforen.
Dies verschleiert jedoch, dass es noch weit von einem in das betriebliche Wissensmanagement
integrierten persönlichen, auf Wissensarbeiter bezogenen Management von Wissen
entfernt ist und strenggenommen mehr Wissen vergeudet als gewinnt. Zwar weisen
moderne Formen der Wissenspräsentation wie Ontologien (bereichsbezogene Begriffs-
und Bezugssysteme) die Begrenzungen der üblichen relationalen Datenmodelle nicht
auf, sie sind jedoch wegen der Komplexität der dazugehörigen Anwendungen für
ein persönliches Wissensmanagement kaum geeignet. Auch ist es sehr aufwendig,
Ontologien anzupassen oder zu erweitern.
Was es vielmehr braucht, ist eine Art künstliches Gedächtnis für den Wissensarbeiter,
das in Austausch mit dem betrieblichen Wissensmanagement treten kann. Solch
ein personengebundenes künstliches Gedächtnis würde zudem die Wissensbewahrung
bei Wechseln von Mitarbeitern zwischen Organisationseinheiten und Unternehmen
sicherstellen. Ein Umstand, dem heute noch kaum jemand Beachtung schenkt, obwohl
er meines Erachtens zu den größten Herausforderungen einer Wissensökonomie zählt,
namentlich zu ihrer Austauschkultur. Vor diesem Hintergrund habe ich selbst
mit der Portalsoftware Artificial Memory eine innovative Anwendung für das persönliche
Wissensmanagement entwickelt, die hilft, die Produktivität und Innovationskraft
von Wissensarbeitern wesentlich zu steigern.
Fazit
Unternehmen können heute durch gezielte Analyse und Erleichterung des
persönlichen Wissensmanagements beachtliche Produktivitäts- und Qualitätsfortschritte
erzielen. Die perfekte Lösung dazu fehlt allerdings noch. IT-Unterstützung
muss auf diesem Feld Hand in Hand mit Prozessgestaltung und Erziehung zum bewussten
Umgang mit Wissen gehen.
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